"Ethik en vogue" Anarchie im Kir Royal
von Christina Dietz, Kati Prell und Kai Heinrich

Die Arbeit „Ethik en vogue“ ist innerhalb des Projektes „View“ entstanden.
In diesem Projekt ging es um die Umsetzung des Inhalts der Zeitschrift „View“ als Lebensgefühl.
Eine Analyse zur Arbeitsweise dieser Zeitschrift und ein Interpretieren des Lifestyles als Vorgabe für die eigene Arbeit führten uns zu der Idee unserer „Imagekampagne“.
Das Projekt „View“ wurde von
Frau Dipl.Des. Ketelhake und
Frau Prof. Bickerich betreut.

Die Zeitschrift „View“ möchte Trends aufspüren, zeigen und sie als Inspiration weitergeben.
„View“ erscheint zwei mal jährlich, und das seit 15 Jahren,
jeweils in verschiedenen Sparten wie „View on colour“, „Interior View“ oder „Bloom“.
Herausgeberin ist Li Edelkoort, die Direktorin der „Design Acadamy Eindhoven“.

Inzwischen gibt es viele Zeitschriften auf dem Markt, die genauso oder ähnlich wie die „View“ arbeiten, „View“ ist allerdings wahrscheinlich in diesem Bereich die bekannteste und renommierteste.
Die einzelnen Ausgaben sind jeweils unter ein bestimmtes Thema gestellt, in der „View on Colour“ etwa werden verschiedene Farbthemen und –stimmungen behandelt.
„View“ analysiert Lebensgefühle, sie berichtet in Bildern und Metaphern, und soll auf diese Art und Weise die Phantasie anregen und inspirieren.

Sie liefert Zukunftsszenarien, für die passende Produkte entwickelt werden können.
Dabei liegt der Schwerpunkt auf der „emotionalen Information“, nicht auf der sachlichen.
Denn auch die Texte sind in einem sehr „blumigen“ Stil gehalten, und damit in ihrer Aussage weit interpretierbar und auf das eigene Produkt, den eigenen Stil freier umsetzbar.
Eine genau definierte Trendanalyse oder gar Trendvorgabe gibt die „View“ nicht, ihre Bilder und Texte geben eine Richtung an, in die es gehen könnte. Sie vermitteln eine Atmosphäre,
ein „Inneres Bild“.

Ähnlich wie die View arbeitet auch die Werbung mit Bildern, die Marken mit Emotionen belegen. Auch Werbung informiert nicht mehr sachlich über Produkte, sondern verkauft Gefühle die sie an Marken kuppelt.
Werbung bestimmt unseren Alltag so sehr, dass wir sie als Grundrauschen akzeptieren. Einziges Qualitätsurteil ist „gut gemacht", das Attribut „ironisch" ein universeller Freifahrtschein. Werbung manipuliert uns? Na und - wenn wir nur heftig genug mit den Augen zwinkern, dürfen wir unsere Seele behalten.

* Werbung will verkaufen
* Werbung hat immer einen Absender
* Werbung macht Meinung
* Werbung macht Menschenbilder
· Werbung verschiebt Geld und Macht

Werber zerbrechen sich die Köpfe darüber, welche Emotionen sie mit dem Produkt verknüpfen könnten.
Danach werden Milliarden investiert, um den Konsumenten diese falschen Gefühle zu verkaufen. Wer einen bestimmten Schuh kauft, erwirbt das Gefühl der Stärke. Ein kleiner Junge, der sich in der Schule unsicher fühlt, will sich damit Selbstsicherheit kaufen. Aber leider kauft sich der Boy nur ein Pseudo-Selbstvertrauen. Er wird bald feststellen, dass man Selbstsicherheit nicht kaufen kann. So wird der Junge schließlich nur noch unsicherer. Er wird noch mehr das Gefühl haben, nichts wert zu sein.
Diese Beeinflussten sind mehr als irgendetwas oder irgendwer sonst das mächtigste Symbole der Globalisierung geworden, die logo-geschmückten Teenager aus der Mittelklasse, die sich selbst in eine von den Medien fabrizierte Gussform gießen wollen.

Rund um den Globus wird alles von einen Schleier Schein-Vielfalt umgarnt, der in Wirklichkeit eine globale Monokultur ist.
MTV zum Beispiel publiziert eine zweisprachige Mischung aus Nord und Süd, ein bisschen Latin, ein bisschen Rythm 'n' Blues, alles in globale Partylyrik gefasst. Dieser Ethno-Verschnitt schafft eine One-World-Ortlosigkeit, ein globales Einkaufszentrum, in dem die Konzerne ein und dasselbe Produkt an viele Länder verkaufen können, ohne den alten Protest gegen die »Coca-Kolonialisierung« zu provozieren. Alle wollen dabei sein und lassen viel Geld dafür springen.
Vier Großeltern und zwei Eltern knausern und sparen.damit aus dem einzigen Kind ein MTV-Klon werden kann.
Werbung bezeichnet sich als Kommunikation - aber sie will nicht, dass man ihr antwortet.

Die Zielgruppe schießt zurück

Das Big Business besetzt mit Hilfe der Werbung das geistige Territorium in unseren Köpfen. Wir wollen es zurückerobern und schlagen die Werbeindustrie mit deren eigenen Waffen. „Soziales Marketing", Werbung, die für Ideen statt für Produkte wirbt, zum Beispiel für Umweltorganisationen und Sozialinitiativen arbeitet. Was nach grauer Theorie und sauertöpfischem Programm für frustrierte Polit-Hippies klingt, ist in Wirklichkeit viel gemeiner für die Werbeindustrie: es ist lustig.

Professionell gemachte Anzeigenparodien, die typische Werbekampagnen auf den Kopf stellen.
Es funktioniert wie beim Judo, wir könnten die Wucht ihrer millionenteuren Anzeigen und Werbespots nutzen – um sie auf die Matte zu hauen, indem wir die teuer eingeführten Symbole umdrehen.

Genau wie sich die Werbe-Industrie jahrzehntelang die Symbole der verschiedener Gegenbewegungen wie etwa Punk oder 68er-Bewegung zu nutze machte und sich deren Energie einverleibt hat, saugen wir nun diese Vitalität wieder zurück.
Durch diese Technik kritisiert und persifliert man auf hohem Niveau die Werbung.

Unsere Idee war, auf dieses Prinzip aufbauend auch soziale Kampagnen zu Umweltschutz, Medien- und Konsumkritik ins Gespräch zu bringen. Wir wollten Schluss machen mit dem freudlosen Protestlook aus selbst gemalten Plakaten und grüner Tinte auf grauem Umweltpapier. Dies ist zur Zeit noch unheimlich wertvoll, da es sozial Engagierten ein wirklich einprägsames Kommunikationsmaterial liefert.

Bisher setzten Kampagnen wie „Brot für die Welt“ bewusst auf Mitlied. Wir wollen auf Selbstreflexion setzen. Wir heben die Moral auf den Catwalk. Als Beispiel zeigen wir in diesem Projekt eine Disko-Szene mit deren Hilfe z.B. für weniger Fernsehen, bessere Arbeitsbedingungen bei Nike, gegen das Geschäft mit der Abschiebung*, gegen Polizeigewalt, globalisierungskritisch oder mit Ironie gegen Populismus geworben werden könnte. Ethik en vogue möchte diejenigen treffen, die sich mit dieser Problematik selten auseinandersetzen und ein neues Bewusstsein heraufbeschwören.

Absichtlich werden hier nicht die für diese Themen herkömmlichen Zielgruppen gewählt, sondern junge, trendbewusste, spaßliebende Menschen, Hedonisten eben. Die Anzeige funktioniert auf Grund von Irritation. Das eigene Wahrnehmungsmuster wird offen gelegt. Es geht hierbei nicht um die Werbung von einem bestimmten Produkt, sondern um Aufklärung. Es ist eine Imagekampagne. Menschen die bewusst konsumieren und engagiert handeln, sollen sich nicht mehr als unmodische Objekte in ihrer Wohnung verkriechen. Auf der anderen Seite dürfen sich Teenager mit Nike-Kappen und Calvin Klein-Jeans ein bisschen weniger trendy fühlen. Jeder „Wachgerüttelte“ oder auch jeder Schockierte ist in einer Zeit von medialer Abstumpfung ein Erfolg.
Denn es ist ein neuer Trend ausgemacht:
Der amerikanische Meinungsforscher und Trend-Guru Gerard Celeste will den stärksten Trend geortet haben, der ihm in seiner langen Berufserfahrung begegnet sei:
die "Freiwillige Einfachheit" – quer durch alle politischen und religiösen Lager und alle Einkommensschichten. Von heute fünf Prozent, prognostiziert Celeste, wird der Anteil derer, die bewußt einfacher leben und statt im Rattenrennen von Karriere und Konsum etwa mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen wollen, zur Jahrtausendwende auf 20 Prozent steigen.

*Als Beispiel:
Auf einer unserer Anzeigen ist ein Disco-Eintritts-Stempel mit den Worten „Stop Deportation“ zu sehen, er knüpft an die Kampagne „StopDeportationClass“ an:
Die Kampagne des Aktionsnetzwerkes "kein mensch ist illegal" hat bereits mehrfach auf deutschen- und internationalen Flughäfen gegen die Abschiebung von Flüchtlingen demonstriert. Die Proteste richten sich vor allem gegen die deutsche Lufthansa, die am Geschäft mit den Abschiebungen verdient. Die Kampagne plante eine Aktion im Internet, an der Menschen aus aller Welt teilnehmen konnten. An einem bisher noch unbekannten Tag im Sommer 2001 wird bei der größten "Lufthansa-Filiale", der Homepage der Fluggesellschaft, demonstriert. Durch massenhafte Anfragen von Cyber-Aktivisten sollte der Zugang zur Homepage zeitweise blockiert und die Lufthansa damit wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden. Teilnehmern wird für diese Aktion eine Software zum Download angeboten.


Stand:
7.2002

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